Als Tochter einer bekannten Strafverteidigerin bin ich schon als Kind mit Drohungen in Berührung gekommen. Weil meine Mutter einen RAF-Aussteiger verteidigte und es einen Entführungsversuch gab, stand unsere gesamte Familie für mehrere Monate unter Polizeischutz. Damals gingen nahezu täglich Bombendrohungen bei uns ein. Es war für kurze Zeit aufregend, von Polizisten zur Schule begleitet zu werden, irgendwann nervte es nur noch. Große politische Prozesse führten jedes Mal dazu, dass es kübelweise Drohbriefe gab. Gleiches galt für spektakuläre Mordprozesse, die in den einschlägigen Medien breitgetreten wurden. Glücklicherweise gab es damals noch keine sozialen Medien, das wäre eine besondere Herausforderung gewesen. So blieb es meistens bei telefonischen Drohungen oder anonymen Briefen. Natürlich hat meine Mutter versucht, das meiste von uns Kindern fernzuhalten. Hat aber naturgemäß nicht immer funktioniert.
Meine Protagonistin Tine aus „Sommergolf“ hat ebenfalls mit diesem Problem zu kämpfen. Ich werde nicht spoilern, möchte aber darauf hinweisen, dass es leider auch heutzutage immer wieder vorkommt, dass gerade Strafverteidiger:innen bedroht werden. Offenbar fällt es vielen Menschen schwer zu verstehen, dass jeder in diesem Land das Recht auf einen fairen Prozess hat. Aus meiner Erfahrung sind das häufig die Menschen, die als erstes nach einem Verteidiger schreien, wenn sie selbst betroffen sind.
Ich bin nicht in die Fußstapfen meiner Mutter getreten, hatte als Kind und Jugendliche bereits eine Überdosis von Mord und Totschlag. Klingt sicher komisch, mich hat das aber irgendwann nur noch gelangweilt. Eine besondere Art der Rebellion, obwohl ich in meinen Anfängen tatsächlich einige Male mit ihr zusammen verteidigt habe. Das war für mich ein besonderes Erlebnis, sie war ein Vollprofi und ich habe sie in diesen Momenten noch einmal von einer ganz anderen Seite kennengelernt.
Als Anwältin im Familienrecht habe ich es in der Praxis, genau wie in einer Strafrechtskanzlei, oft mit sehr emotionalen Situationen zu tun, Bedrohungen kommen aber seltener vor. Vor Jahren wurde unser Kanzleischild zubetoniert. Ich hatte einen genervten Ehepartner im Verdacht, beweisen konnte ich es nicht. Es gab auch ein paar Drohbriefe im Laufe der vergangenen achtundzwanzig Jahre, das bleibt leider nicht aus und gehört zum Job dazu.
Schreibe einen Kommentar