Ich erlebe es oft, dass Menschen mich in meiner Freizeit um rechtlichen Rat bitten. So nach dem Motto: „Ich hab da mal ne kleine Frage.“ Man nutzt die Gelegenheit, Dinge zu fragen, die einen gerade beschäftigen. Sei es, dass man zu schnell gefahren ist, Ärger mit dem Vermieter hat oder die beste Freundin sich von ihrem Mann getrennt hat. Mein bisheriges Highlight ist, dass mich auf einer Golfrunde mal ein Mitspieler gefragt hat, ob das Berliner Testament, was er mit seiner Frau gemacht hat, noch aktuell sei. Wohlgemerkt, er fragte dies während eines Golfturniers.
Das, was ich beobachte, erfahren Leute in anderen Berufsgruppen genauso. Ärzt:innen, IT-Berater:innen, Finanz:beraterinnen zum Beispiel. Ich denke, dass es vielen Menschen so ergehen wird. Vermutlich glauben die Fragesteller bei mir, dass ich alle Lösungen im Kopf habe. Dass jeder Fall anders ist und man einen Sachverhalt in Ruhe klären muss, bevor man eine rechtlich fundierte Antwort geben kann, wird nicht ins Kalkül gezogen. Ich löse das inzwischen so, dass ich darum bitte, mich im Büro anzurufen. Das tut dann übrigens kaum jemand. Und klar, engen Freunden beantworte ich auch dringende Rechtsprobleme außer der Reihe.
Mein Tipp ist also, sich nicht in der Freizeit mit beruflichen Fragen zu beschäftigen, die von außen an einen herangetragen werden. Wenn ich privat unterwegs bin, bin ich privat und nicht als Anwältin unterwegs. Tatsächlich erzählte ich häufig gar nicht, was ich beruflich mache.
Mindestens genauso wichtig ist die Achtsamkeit sich selbst gegenüber. Man muss die beruflichen E-Mails nicht am Wochenende lesen und nein, in der Woche reicht es auch, erst zu frühstücken und dann den E-Mail-Ordner zu öffnen. Es ist auch nicht tragisch, eine E-Mail nicht innerhalb von einer Stunde zu beantworten. Ich weiß, wovon ich rede, musste mir das erst mühsam antrainieren. Und ja, es gibt Ausnahmen, aber ich spreche hier von Regeln. Im Urlaub ist das Büro tabu, es sei denn es ist abgebrannt. Selbst da wüsste ich bei näherer Betrachtung aber auch nicht, was ich daran noch ändern könnte. Okay, ist bei mir sicher einfacher als bei Solo-Selbstständigen, weil meine Partnerin mich im Urlaub vertritt. Wäre ich allein, würde ich mit mir selbst Auszeiten verabreden und die einhalten. Mit Ende zwanzig lacht man vermutlich über diese Tipps oder wundert sich, weil man so voller Elan und Ziele ist. Völlig in Ordnung, war bei mir genauso. Als ältere Dame weiß ich aber inzwischen, dass man das Tempo nicht auf Dauer durchhält. Ich will mir die Lust auf meinen Beruf erhalten. Das schaffe ich nur, wenn ich mir bewusst Freiräume schaffe.
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