Tine, die Strafverteidigerin in meinem Roman „Sommergolf“, arbeitet nahezu rund um die Uhr. Sie engagiert sich mit Leidenschaft, wenn es um ihre Mandanten geht und vergisst dabei nur zu gern, dass es auch ein Leben neben der Arbeit, ohne Büro, Gefängnis und Gericht gibt. Ein Privatleben.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Selbstständigkeit einen, gerade in den Anfangsjahren, rund um die Uhr beschäftigen kann. Es ist viel dran an dem Spruch über Selbstständige: Man arbeitet ständig selbst.
Von außen sieht man lediglich das Offensichtliche: die Tätigkeit im Büro und vor Gericht. Als selbstständige Anwältin -und das gilt für jede Person, die freiberuflich oder gewerblich unabhängig arbeitet- bin ich darauf angewiesen, dass man mich beauftragt. Ich muss Dritte von meinem speziellen Angebot überzeugen und mich in der Öffentlichkeit bekannt machen. Als ich 1992 anfing zu arbeiten, war Werbung für Anwält:innen noch untersagt. Mehr als Visitenkarten überreichen ging nicht, von Webseiten und den sozialen Medien waren wir Lichtjahre entfernt. Das hat sich verändert, ohne aussagekräftige Webseite kommt niemand mehr aus. Viele Kolleg:innen tummeln sich bei Facebook und Co.
Die dauerhafte Präsenz kostet neben Zeit aber auch viel Energie. Der Tag hat für uns alle 24 Stunden und ein wenig Schlaf muss sein. Bei mir eher viel Schlaf, sonst klappt auf Dauer nichts. Und dann gibt es natürlich auch noch die internen Arbeiten: Büroorganisation, Personal, Buchhaltung … ich hör schon auf.
Tine darf sich nicht jeden Fall zu Herzen nehmen, das geht mir als Familien- und Erbrechtsanwältin genauso. Und doch gibt es die Nächte, wo ich mich schlaflos im Bett wälze und überlege, was ich noch tun kann, um die Situation für meinen Mandanten zu optimieren. Es gibt menschliche Schicksale, die mich nicht kalt lassen und es passieren mir Fehler, die meinen Blutdruck in die Höhe schießen lassen. Das Gedankenkarussell dreht sich in solchen Nächten schnell und unerbittlich.
Nicht falsch verstehen: Ich mag meinen Beruf als Anwältin, der zu meinem Leben dazu gehört. Mit zunehmendem Alter, das muss diese Altersweisheit sein, habe ich aber gelernt, dass ich Auszeiten brauche. Tatsächlich hat die Zahl der schlaflosen Nächte abgenommen. Ich gehöre zu denjenigen, die ihre Handynummer nicht an Mandant:innen weitergibt. Und nein, es gibt nur wenige Tage im Jahr, an denen ich am Wochenende im Büro bin. Ich verreise gern und lese meine beruflichen E-Mails nicht im Urlaub. Und das Allerwichtigste: Ich habe mir eine Freizeitbeschäftigung gesucht, bei der ich nicht an meine laufenden Fälle denken kann. Golf spielen und gleichzeitig über Sorgerechtsstreitigkeiten oder Testamentsentwürfe grübeln, geht gar nicht. So viele Bälle, wie ich dabei ins Rough oder in die Teiche verschießen würde, kann ich nicht gar nicht kaufen.
Tine schafft es, sich einen privaten Freiraum zu erkämpfen, mir ist es auch gelungen.
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