Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Beitrag beschäftigt sich nicht mit der Frage, ob man bei gleicher Qualifikation des Rechtsanwalts lieber zu einem Anwalt oder zu einer Anwältin gehen sollte. Das möge bitte jeder für sich selbst entscheiden.
Mir geht es heute darum, welche Berufsbezeichnung, die weibliche oder die männliche, sprachlich verwendet werden soll. Finden Sie die Frage komisch? Das kann ich gut verstehen. Ich mache das mal an einem Beispiel fest:
Als meine Kollegin und ich vor mehr als 25 Jahren unser Büro eröffnet haben, musste natürlich auch ein Kanzleischild her. Damals war Anwälten noch die Werbung jedweder Art verboten, d.h. außer Name, Berufsbezeichnung und Telefonnummer konnte man nicht viel darauf schreiben. Uns beiden war völlig klar, dass unter unseren beiden Namen die Berufsbezeichnung „Rechtsanwältinnen“ stehen würde. Meinem Vater, auch er ein Rechtsanwalt, war dieses nicht so klar: Er hat uns allen Ernstes gefragt, warum wir nicht „Rechtsanwälte“ auf das Schild schreiben würden. Das bringt uns heute noch zum Lachen, wenn wir uns daran erinnern.
Das Schild gibt es seit damals, es hat sogar einen Gipsanschlag einer uns nicht so wohlgesonnenen Person überlebt. Jetzt muss es ausgetauscht werden, weil die Fassade unseres Bürohauses erneuert wird und das Schild optisch nicht mehr passt. Wir überlegen also gerade, ob wir die Bezeichnung ändern sollen. Auf unserem Briefbogen und im Netz sind wir als Anwaltskanzlei Linden & Mosel bekannt. Das könnten wir natürlich auch auf das Schild schreiben. Dann erkennt man aber nicht mehr, dass wir eine Anwältinnenkanzlei sind und das fände ich schade. „Anwältinnenkanzlei“ auf das Schild zu schreiben passt heute für uns nicht mehr, weil wir sprachlich von Anfang an eine Anwaltskanzlei waren. So weit haben wir damals eben nicht gedacht. Also bleiben wir vermutlich bei „Rechtsanwältinnen“.
Dazu passt Folgendes: Vor ein paar Tagen habe ich gepostet, dass im September mein neues Buch „Paragrafen und Prosecco – Justitia und andere Katastrophen“ erscheinen wird. Spaßeshalber habe ich den xten Entwurf meines Klappentextes fotografiert, auf dem man das Wort „Anwältinnenkanzlei“ lesen konnte. Daraufhin bekam ich von einer Autorinnenkollegin sinngemäß die Mitteilung, dass dieses Wort sprachlich gar nicht gehen würde.
Ob das Wort auf dem Klappentext erscheinen wird, weiß ich noch nicht. Der Einwand der Kollegin hat mich aber nachdenklich gemacht. Warum soll man sich nicht auch sprachlich als das bezeichnen, was man ist?
Mir sitzen manchmal in der Beratung Frauen gegenüber, die sich selber als „Kaufmann“ bezeichnen und ich gebe zu, dass sich bei mir dann die Nackenhaare kräuseln. In meine Akte schreibe ich automatisch immer „Kauffrau“. Warum benutzen die Frauen nicht die weibliche Form?
Also, wie seht ihr das? „Anwaltskanzlei“ oder „Anwältinnenkanzlei“? Oder ist das völlig gleichgültig?
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