Neulich saß ich beim Familiengericht über drei Stunden in einer intensiven Verhandlung, in der es im Wesentlichen um den Unterhalt ging, der nach langjähriger Ehe gezahlt werden sollte. Wie so oft waren die Positionen konträr, der Ehemann wollte möglichst wenig und nur für eine begrenzte Zeit zahlen, die Ehefrau sah sich gedanklich schon vor dem Sozialamt sitzen. Unter der Mithilfe eines engagierten Richters und dem Wunsch aller Beteiligten, sich zu einigen, kam es schließlich zu einem Vergleichsabschluss.
So weit so gut. Eine Sache, die sich papiermäßig im dritten Leitzordner breit gemacht hatte, kam zu einem sehr befriedigenden Abschluss. Die Alternative wären vermutlich weitere Sachverständigengutachten und eine zweite Instanz gewesen.
Auf dem Rückweg zum Büro, ich stand im Stau, ratterte es bereits in meinem Gehirn. War der mehrere Seiten lang protokollierte Vergleich sauber formuliert? Wurde nichts vergessen? War die Summe, auf die man sich geeinigt hatte, tatsächlich in Ordnung? Fragen über Fragen. Mit anderen Worten: Statt sich über die Beendigung eines nicht nur für den Mandanten nervenaufreibenden Verfahrens vorbehaltlos zu freuen, spekulierte ich über mögliche Fehler meinerseits. Darüber habe ich mich wiederum geärgert.
Warum ist es bei mir trotz so vieler Jahren im Beruf reflexartig so, dass mir eher Fehler als Erfolge einfallen? Warum erinnere ich mich häufiger an Fälle, die nicht so toll gelaufen sind anstatt über zufriedene Mandanten zu sinnieren? Und nein, es hat nichts mit mangelndem Selbstbewusstsein und auch nichts mit überbordendem Perfektionismus zu tun. Beides liegt mir fern, hoffe ich jedenfalls.
Natürlich versuche ich als Anwältin, das Beste für den Mandanten herauszuholen, das ist selbstverständlich. In Familiensachen ist das übrigens häufig ein Kompromiss, damit sich die Parteien auch nach Jahren noch in die Augen sehen können.
Woran liegt dieses innere Nachkarten dann? Ich weiß es nicht. Vielleicht eine Art notwendige Selbstkontrolle? In einem Rollcontainer neben dem Schreibtisch habe ich in einer Schublade Briefe von Mandanten und Mandantinnen gesammelt, die sich für meine Arbeit auf besonders liebevolle Art und Weise bedankt haben: Sorgfältig ausgesuchte Karten mit warmherzigen Worten, einige haben sogar Gedichte verfasst. Ab und zu erhalte ich einen Strauß Blumen oder Schokolade. Es gibt also genug Lob, die Bewertungen im Internet sind ebenfalls durchweg positiv.
Vermutlich ist es eine Frage der Übung. Das Gehirn muss umprogrammiert werden und sich auf die positiven Erlebnisse konzentrieren. Ich arbeite daran, weil ich das verändern möchte. Ich möchte mich weniger über mich selbst ärgern.
Schreibe einen Kommentar